Die Behandlung erstreckt sich im Allgemeinen über mehrere Jahre. Sie erfolgt zum größten Teil, oft sogar ausschließlich, ambulant, d.h. also berufsbegleitend; verschiedentlich sind aber auch stationäre Behandlungsphasen nötig.
Die Behandlung kann nur selten von einem einzigen Therapeuten bzw. einer einzigen Einrichtung durchgeführt werden. Meist müssen mehrere Therapeuten unterschiedlicher Fachrichtung und mehrere Institutionen tätig werden. Man spricht dabei von einem Therapieverbund bzw. einem Therapienetz (siehe Tabelle). Je besser die einzelnen Therapeuten (z.B. Ärzte, Psychologen, Sozialpädagogen) und Einrichtungen (z. B. Fachkliniken, Allgemeinkrankenhäuser, Kostenträger) in diesem Verbund zusammenarbeiten, desto besser sind auch die Voraussetzungen für den Alkoholkranken, einen guten Behandlungserfolg zu erzielen.
Tabelle – Der Therapieverbund. Die fach- und sachgerechte Behandlung des Alkoholabhängigen erfordert in jeder Phase eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behandlungsstellen
Die Behandlung des Alkoholismus lässt sich in 4 verschiedene Phasen unterteilen, die allerdings nicht immer eindeutig voneinander zu trennen sind. Die Behandlung umfasst:
- die Kontakt- und Motivierungsphase,
- die Entgiftungsphase,
- die Entwöhnungsphase,
- die Weiterbehandlungs- und Nachsorgephase.
Was ist die Kontakt- und Motivierungsphase?
Eine der größten Schwierigkeiten ist die mangelnde Bereitschaft des Kranken zur Behandlung. Häufig kommt es nur unter äußerem Druck zur Therapie, weil z. B. der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen will oder die Ehefrau mit der Scheidung droht. Er ist jedoch von sich aus nicht bereit und glaubt immer noch, er schaffe es selbst. Dennoch sollte er weiterhin Kontakt halten mit der Einrichtung, die ihn betreut. U. U. wird er durch Gespräche und Informationen oder durch den Kontakt mit anderen Alkoholkranken allmählich selbst die Notwendigkeit einer Therapie einsehen. Ihm bei der Entwicklung dieser Erkenntnisse zu helfen, ist das wichtigste Behandlungsziel in dieser Phase. Für die Kontaktphase sind eigene Informationsgruppen, zu denen auch der Partner kommen sollte, besonders geeignet.
Außerdem sollten in diesen ersten Wochen die sozialen Folgen des Alkoholismus abgeklärt und weitere Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden. Die weiteren Maßnahmen bestehen in der Regel in der Einleitung der Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung, die ambulant oder stationär erfolgen kann. Diese bringt mit sich: Kontaktaufnahme zu Behandlungsstellen (z.B. Fachklinik), Klärung der Kostenübernahme, Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, um den Arbeitsplatz zu sichern u. v. a. m.
Was ist die Entgiftungsphase?
Eine Entgiftung des Alkoholkranken ist immer dann notwendig, wenn er seit längerer Zeit schon unter Alkohol gestanden hat und deshalb Entzugserscheinungen zu befürchten sind. Wenn die Entzugserscheinungen sehr stark sind, sollte die Entgiftung im Krankenhaus durchgeführt werden. Sie kann einige Tage bis einige Wochen dauern. Während dieser Zeit bekommt der Kranke Medikamente, mit denen die Entzugserscheinungen gedämpft und die körperlichen Alkoholfolgeschäden behandelt werden können. In leichteren Fällen kann die Entgiftung ohne Medikamente durchgeführt werden; sie kann dann auch ambulant geschehen, immer aber unter ärztlicher Überwachung. Distraneurin ist ein häufig verwendetes Mittel zur Behandlung von stärkeren Entzugserscheinungen. Es wirkt sehr beruhigend und hat sich beim Alkoholismus in der Entgiftungsphase und insbesondere bei der Behandlung des Delirium tremens bewährt.
Gegenüber den früher angewandten Medikamenten konnte Distraneurin die Sterblichkeitsrate des Delirium tremens beträchtlich senken. Distraneurin hat jedoch den großen Nachteil, dass es seinerseits zur Abhängigkeit führen kann. Es darf deshalb nie ohne ärztliche Verordnung und auch dann nicht länger als 10 Tage in vorgeschriebener Dosierung verabreicht werden.
In keinem Fall darf Distraneurin gleichzeitig mit Alkohol eingenommen werden (siehe Medikamentenmissbrauch).
Die Behandlung der Entzugserscheinungen und der körperlichen Folgen des Alkoholismus ist sicher unbedingt notwendig, z.T. sogar lebensrettend. Meist fühlen sich Alkoholkranke nach körperlicher Entgiftung bzw. Behandlung der Alkoholfolgekrankheiten subjektiv recht wohl, auf jeden Fall viel besser als in der Zeit, als sie unter Alkohol standen. Es ist jedoch verkehrt, diese Patienten einfach nach Hause zu entlassen mit dem wohlmeinenden Rat, in der nächsten Zeit den Alkoholkonsum zu lassen; später könnten sie ja, „in Grenzen natürlich“, Alkohol wieder probieren. Wer einen solchen Rat gibt, verkennt die Probleme der Abhängigkeit, die mit der Entgiftung bzw. der körperlichen Behandlung in keiner Weise gelöst sind. Der Alkoholkranke braucht vielmehr eine anschließende intensive Entwöhnungsbehandlung; nur dadurch kann er lernen; mit seinen Problemen und den Verführungssituationen in seiner Umwelt fertig zu werden.
Was ist die Entwöhnungsphase?
Das Ziel der Entwöhnungsphase ist es, die Abhängigkeit vom Alkohol zu unterbrechen. Dazu ist es nötig, die Einstellung des Alkoholkranken zu ändern. Dies betrifft sein Verhältnis zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen. Er muss lernen, seine Probleme zu erkennen und sie anders zu lösen, als er es bisher versucht hat. Die Entwöhnungsbehandlung ist daher in erster Linie eine psychotherapeutische Behandlung. Medikamente können dabei gelegentlich Hilfestellung geben.
Die Entwöhnungsbehandlung erfolgt in der Regel stationär in einem Suchtfachkrankenhaus. Unter bestimmten Voraussetzungen genügt auch eine ambulante Behandlung, z.B. in einer ambulanten Beratungs- und Behandlungsstelle, oder eine Betreuung durch eine der Alkohol-Selbsthilfe-Organisationen.
Was ist die Weiterbehandlungs- und Nachsorgephase?
Die Weiterbehandlungs- und Nachsorgephase ist für die erfolgreiche Behandlung von Alkoholkranken außerordentlich wichtig. Gute Behandlungserfolge lassen sich in der Regel nur bei genügend intensiver und langdauernder Weiterbehandlung und Nachsorge erreichen. Wie sich schon häufig gezeigt hat, ist gerade die Zeit unmittelbar nach einer abgeschlossenen Entwöhnungsbehandlung für den Alkoholkranken sehr problematisch und deshalb für einen Rückfall sehr gefährlich; er muss sich nach einem langzeitigen Aufenthalt in einem Suchtfachkrankenhaus u.a. erst wieder an sein Zuhause gewöhnen, muss wieder beginnen zu arbeiten und verschiedene organisatorische Angelegenheiten, z. B. mit Ämtern, erledigen. All dies sind Dinge, die häufig mit starken Ängsten verbunden sind und eine schwere seelische Belastung bedeuten.
Ein schwieriges Problem für viele Alkoholkranke ist die Rückkehr in die Arbeitswelt. Die Entlassung eines Alkoholkranken aus seinem bisherigen Arbeitsplatz ist sicherlich eine schlechte Voraussetzung für seine Resozialisierung, wenngleich nicht verkannt werden soll, dass manchmal eine Entlassung kaum zu umgehen ist. Wenn möglich, sollte ein Alkoholkranker bei der Rückkehr aus stationärer Behandlung seinen alten Arbeitsplatz wieder einnehmen oder einen neuen gefunden haben. Manchmal empfiehlt sich allerdings ein Berufswechsel (z.B. wenn der frühere Arbeitsplatz eine besonders große Alkoholgefährdung mit sich brachte).
Ehemalige Alkoholkranke sollten sich auf jeden Fall einer Selbsthilfeorganisation anschließen, wie sie verschiedentlich zum Zwecke der Nachsorge gegründet wurden. In diesen Gruppen kann sich der Alkoholkranke mit anderen Menschen aussprechen, die sich in ähnlicher Lage befinden. Jeder Alkoholkranke sollte bei Abschluss der Entwöhnungsbehandlung nicht nur die Anschrift einer Nachsorgeeinrichtung in Händen haben, er sollte vielmehr in der Klinik schon einen direkten persönlichen Kontakt zu einer derartigen Einrichtung aufgenommen haben.
Einige Alkoholkranke brauchen aber zusätzlich eine ambulante psychotherapeutische Weiterbehandlung in Einzel- oder Gruppensitzungen, um eine langfristige Stabilisierung des Behandlungserfolges zu gewährleisten.