Mehr und mehr hat sich in den letzten Jahren in vielen Betrieben die Erkenntnis durchgesetzt, dass Alkoholprobleme der Mitarbeiter durch erhöhte Fehlzeiten, Arbeitsunfälle, Ausschussproduktionen u. ä. einen enormen Kostenfaktor darstellen. Andererseits ist zu bedenken, dass sich diese oft langjährigen Mitarbeiter in früheren Jahren als fleißig und loyal erwiesen und sich damit um den Betrieb oftmals sehr verdient gemacht haben. Weiterhin weiß der Betrieb aufgrund positiver Erfahrungen vielleicht auch, dass fachgerechte Behandlung tatsächlich Erfolg verspricht und die vor der Behandlung überdurchschnittlichen Kosten nach der Behandlung oftmals weit unter den Durchschnitt absinken.
Auch von der Kosten-Nutzen-Relation her "rentiert" es sich also für den Betrieb auf lange Sicht, dem betroffenen Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz zu sichern, wenn er eine fachgerechte Behandlung in Anspruch nehmen will.
Allerdings ist anfänglich die Motivation des Betroffenen meist nicht so ausgeprägt, dass er von sich aus eine Behandlung sucht. Im Gegenteil: er leugnet eher das Problem oder ist der Meinung, selbst damit fertig werden zu können.
Aus Untersuchungen bei Alkoholkranken ist uns aber bekannt, dass der Verlust des Arbeitsplatzes für einen Abhängigen oft ein noch größeres Problem darstellt als das mögliche Auseinanderbrechen seiner Familie. Der Betrieb hat daher über die Erhaltung des Arbeitsplatzes eine gute Möglichkeit, den Alkoholkranken zu Therapiemaßnahmen zu motivieren. Wie kann sich der Betrieb dabei Schritt für Schritt verhalten?
Einem alkoholkranken Mitarbeiter zu helfen ist nur durch gemeinsames und konsequentes Handeln möglich!
Suchtprobleme können von niemandem alleine gelöst werden. Gemeinsames Handeln meint deshalb, dass nur in Zusammenarbeit der verschiedenen mit dem Alkoholkranken befassten Betriebsvertreter (z.B. Personal-/Betriebsrat, Vorgesetzter, Kollegen, Vertrauensmann), der Fachleute (z. B. Betriebs- oder Hausarzt, Beratungsstelle) und der Angehörigen des Betroffenen auch eine gemeinsame Strategie entwickelt und durchgeführt werden kann, die dem Alkoholkranken hilft, seinen Weg zur Behandlung zu finden. Selbstverständlich wird man dem Abhängigen Verständnis und Hilfe anbieten; gleichzeitig ist es aber wichtig, ihn mit all jenen Problemen und Schwierigkeiten zu konfrontieren, die sein Alkoholkonsum mit sich bringt. Disziplinarmaßnahmen sollten deshalb immer mit Hilfeangeboten gekoppelt werden. So entsteht ein positiv wirkender "konstruktiver Druck", der den Betroffenen stärker mit den Fakten konfrontiert, die Auseinandersetzung mit sich selbst und damit seine Motivation fördert. Gleichzeitig müssen – abhängig von Person und Situation – im Gespräch mit dem Betroffenen Auflagen erarbeitet werden, die er tatsächlich auch erledigen kann, die ihn also weder über- noch unterfordern und ihn in eine vielleicht ausweglose Situation bringen. Ausweglos wäre es z.B. für einen körperlich abhängigen Alkoholkranken, "sofort" mit dem Trinken aufhören zu sollen; dies könnte, wie wir wissen, sogar sein Leben gefährden.
Hilfreich kann deshalb nur ein Abkommen sein, das dem Betroffenen in einem gestuften Konzept eindeutig die Folgen seines Trinkverhaltens aufzeigt, aber auch die positiven Alternativen bei einer Verhaltensänderung beschreibt. Dabei müssen der Vorgesetzte, der Betriebsrat, die Ehefrau usw. vor dem Abkommen sicher sein, dass bei einem Rückfall bzw. bei Nichterledigung die vereinbarten Folgen auch konsequent in die Tat umgesetzt werden können ("zugewandte Konsequenz"). Den Betroffenen von Anfang an schwerste Konsequenzen ("Disziplinarmaßnahmen") anzudrohen (z.B. Kündigung, Scheidung) ist deshalb meist falsch! Es wird dabei nicht bedacht, dass es keineswegs genügt, einen Abhängigen durch ein einmaliges Gespräch von seiner Sucht befreien zu wollen. Ihn zur Behandlung zu motivieren erfordert vielmehr oft langwieriges und geduldiges, dabei aber – wie gesagt – gemeinsames und konsequentes Handeln!