Hauptziel der Behandlung ist es, aus dem Kranken eine körperlich und seelisch gesunde (d.h. beschwerde- und symptomfreie) Persönlichkeit zu machen, die in sozialer Selbständigkeit leben kann. Der völlige Verzicht auf Alkohol, die Alkoholabstinenz, ist beim Alkoholkranken dafür die Voraussetzung.
Die Alkoholabstinenz reicht aber vielfach nicht aus, um das genannte Ziel zu erreichen.
Alkoholabstinenz oder kontrolliertes Trinken?
Alkoholabstinenz bedeutet völligen Verzicht auf alkoholische Getränke jeder Art.
Die Abstinenz bringt jedoch Probleme mit sich: Freunde, Bekannte und Verwandte erwarten vom erwachsenen Menschen einen (mäßigen) Alkoholkonsum. Wird man eingeladen, so ist meist die erste Frage: "Was willst Du trinken?" u. ä. Kaum einer wagt, abzulehnen. Argumente, momentan nichts trinken zu wollen, werden mit dem Satz beiseitegeschoben: "Ein Glas schadet doch nicht!"
Alkoholabstinenz ist aber aus verschiedenen Gründen nötig:
- Die Alkoholfolgekrankheiten heilen nur dann aus (soweit überhaupt bei fortgeschrittenen Stadien eine Heilung möglich ist), wenn die Ursache dieser Krankheiten, nämlich der Alkohol, völlig ausgeschaltet bleibt.
- Die psychische Abhängigkeit bleibt auch nach jahrelanger Abstinenz noch erhalten, d. h., wenn der Alkoholkranke wieder mit dem Trinken beginnt, kehrt er meist rasch zu seinem alten Trinkstil zurück.
In den letzten Jahren wurde vor allem in manchen angloamerikanischen Ländern viel davon gesprochen, dass Alkoholkranke nicht mehr auf Dauer abstinent zu leben brauchten, d.h., dass sie es lernen könnten, kontrolliert zu trinken, wie dies der Großteil der sogenannten Normalbevölkerung tut. Zur Begründung dieser Forderung wird u. a. darauf verwiesen, dass einige Alkoholkranke später tatsächlich ihren Alkoholkonsum kontrollieren konnten. Wenn man die bisher vorgelegten Forschungsergebnisse überblickt, so zeigt sich, dass nur ein sehr kleiner Teil von Alkoholkranken ein solches kontrolliertes Trinkverhalten aufweist. Die meisten, die "kontrolliert" zu trinken versuchten, sind alsbald wieder rückfällig geworden. Außerdem ist es bisher völlig unmöglich, vorauszusagen, welche Alkoholkranke später das kontrollierte Trinken schaffen. Die Erfahrungen zeigen immer wieder, dass es für den Suchtkranken viel leichter möglich ist, auf das Mittel ganz zu verzichten als den Konsum so zu steuern, dass Rückfälle sicher vermieden werden können! Ein einziger Rückfall kann aber bei einem Alkoholkranken u. U. wieder alles zerstören, was er in Jahren neuaufgebaut hat. Aus diesen Gründen ist es derzeit in keiner Weise gerechtfertigt, "kontrolliertes Trinken" als Behandlungsziel zu empfehlen.
Was ist ein Rückfall
Als Rückfall (= Rezidiv) bezeichnet man beim Alkoholismus den Wiederbeginn des Trinkens, obwohl der Alkoholkranke schon kürzere oder längere Zeit abstinent gelebt hatte. Die Ursachen eines Rückfalles können ganz verschieden sein: Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, man könne mäßig trinken; Verführung zum Trinken durch andere; der Druck gesellschaftlicher Gewohnheit; familiäre Probleme oder Unannehmlichkeiten am Arbeitsplatz; Verstimmungen und Depressionen. Rückfälle sind ganz besonders häufig, wenn im Anschluss an die Entwöhnungsbehandlung keine Weiterbehandlung oder Nachsorge erfolgt.
Wann ist der beste Zeitpunkt für die Behandlung gekommen?
Wie bei jeder anderen Krankheit wäre es eigentlich wünschenswert, dass eine Behandlung möglichst frühzeitig einsetzt, damit keine Schäden eintreten, die nicht wieder gutgemacht werden können. Die meisten Alkoholkranken sind jedoch am Anfang ihrer Krankheit nicht behandlungsbereit: Der Leidensdruck ist noch zu gering und andererseits die positiv erlebte Wirkung des Alkohols noch zu stark.
Der erfolgversprechendste Zeitpunkt für das Einsetzen der Therapie ist vielfach erst dann gekommen, wenn der Alkoholmissbrauch zu einem Tiefpunkt in gesundheitlicher, familiärer und beruflicher Hinsicht geführt hat und der Alkoholkranke "reif" geworden ist für die Einsicht, dass er sein Leben grundlegend ändern muss, um sein Alkoholproblem zu lösen. Dennoch ist eine Frühbehandlung anzustreben. Voraussetzung dafür ist eine Früherkennung des Alkoholismus. Die richtige Diagnosestellung ist nämlich in den frühen Phasen gar nicht so einfach, da viele Patienten ihren Alkoholkonsum verleugnen und viele Frühsymptome nicht eindeutig sind.